Elios Geburtsgeschichte und Narrative
Lange Zeit verliefen mein Leben und das Narrativ meines Lebens deckungsgleich. Ich reiste, arbeitete als Autorin und Regisseurin und erzählte enthusiastisch von mir, meinen Projekten und Abenteuern. Mein Leben war eine Geschichte, die ich gerne erzählte.
Aber um ehrlich zu sein, hat sich das seit 2020 geändert. Seitdem empfinde ich mich oft wie “im falschen Film.” Als sei das Leben, das ich lebe, nicht das, was im Skript steht. Was ist passiert?
Ich nenne es den Beginn der Co-Creation. Seitdem ich mein Leben mit dem von Andreas übereinandergelegt habe, liegen die Dinge nicht mehr nur in meiner Hand. Ich kann nicht frei manifestieren, was ich möchte, muss Dinge hinnehmen und Kompromisse eingehen. Zwei verletzte innere Kinder treffen da aufeinander und Traumata brechen auf. Es kommt mir manchmal so vor, als seien wir zwei Magier*innen, die sich gegenüberstehen und beide um ihre Wirklichkeit kämpfen. Gewinnen tut dabei keiner.
Und jetzt sind da auch unsere zwei Kinder: Sonne und Mond. Luna und Elio. Sie gehören zu mir, meiner Geschichte und sind der schönste Teil von mir und doch sind ihre Geburtsgeschichten, nicht die, die ich erzählen wollen würde.
Ich würde hier gerne von der mystischen Hausgeburt erzählen, die im Kreise von fünf Freundinnen, Andreas und der Hebamme, stattgefunden hat, so wie es mit meinem ersten Kind Luna geplant war. Und es begann auch so, aber es endete im Krankenhaus mit einem Kaiserschnitt.
Und jetzt, vier Jahre später mit Elio, ist es wieder ein Kaiserschnitt. Und weil meine liebe Hebamme Linja meinte, dass es zu wenige positive Geschichten über Bauchgeburten gibt, will ich diese erzählen, obwohl ich noch lieber eine andere erzählt hätte. Aber so ist das mit Kopfgeburten, sie sind die Vorstellung und können von der Wirklichkeit abweichen. Und dann ist das ja auch Elios erste Geschichte und nicht nur meine.
Alle sagten mir, dass Elio ein besonders großes Kind sei und auch mein Bauch und Körpervolumen waren riesig. Ich wog drei Wochen vor Geburtstermin bereits 94 Kilo bei einer Körpergröße von 163 cm. Damit hatte ich fast 30 Kilo zugenommen und fühlte mich sehr schwerfällig, müde und ausgelaugt. Auch war die gesamte Schwangerschaft psychologisch nicht leicht, weil ich zwei Abgänge davor hatte und die Angst, auch dieses Kind zu verlieren, vieles überschattete.
Über die Schwangerschaft hinweg habe ich mich immer wieder gefragt, wie ich gebären will, aber ich fand in mir nicht den Mut und die Zuversicht nochmal eine Hausgeburt zu versuchen, nachdem Luna nicht ins Becken kommen konnte. Und auch die Klinik empfahl sehr schnell und direkt einen Kaiserschnitt, wegen Lunas Geschichte, der Größe des Kindes, meines Alters (41) und wegen der Kaiserschnittnarbe, die bei einer natürlichen Geburt reißen kann.
Das sind alles nachvollziehbare Gründe, aber ich weiß auch, dass Kliniken gerne einen Kaiserschnitt empfehlen und wollte zusätzlich die Meinung von meiner Frauenärztin, die sehr ganzheitlich arbeitet. Als sie mich untersuchte und ebenfalls bestätigte, dass das Kind noch nicht tief genug im Becken lag und der Kopf sehr groß sei, schloss ich Frieden mit dem Kaiserschnitt.
Die Frage, die sich als nächstes auftat, war, ob es ein geplanter Kaiserschnitt sein würde oder ob wir warten sollten, bis die Geburt von alleine losgeht. Das Krankenhaus empfahl einen geplanten Kaiserschnitt zwei Wochen vor Geburtstermin, weil die Betäubung dann leichter zu setzen war, es genug Personal gab und Andreas mit in den OP konnte. Meine spirituelle Seite wollte lieber warten, bis das Kind die Geburt auslöst. Also verschob ich den Termin auf eine Woche vor Geburtstermin und dachte, dass ich in dieser Woche nochmal alles gebe, damit das Kind kommen kann.
Ich ging schwimmen, zum Schwangerschaftsyoga, zur Akupunktur und meditierte. Ich war bereit für das Kind und hatte auch Lust, dass die Schwangerschaft endlich vorbei ist. Drei Tage vor dem Kaiserschnitt-Termin tat sich immer noch wenig. Nicht mal Senkwehen. Nichts. Jetzt war die Frage, ob man doch noch mal den Termin verschieben sollte. War es wirklich ok, selber zu bestimmen, wann das Kind auf diese Welt kommt?
Eine Freundin bat mir an, mit mir zu meditieren und einen Raum zu halten, um sich mit dem Kind zu verbinden. Ich war dankbar darum, weil es mir schwer fiel, schwanger in den geistigen Ebenen zu verweilen oder überhaupt hinzukommen. Und diese Meditation wurde mein innerer Wendepunkt. Ich fragte das Kind, ob es ok wäre, wenn wir es in drei Tagen holen und die Antwort war ganz klar und liebevoll: Du darfst eine Entscheidung treffen, die für alle am Besten ist.
Das war revolutionär für mich. Ich dachte immer, ich MUSS eine Entscheidung treffen, die am besten für das Kind ist. Das war meine Programmierung. Mit dieser Erlaubnis platzierte sich etwas neu in mir. Ich darf eine Entscheidung treffen, die für ALLE am Besten ist. Für mich, weil ich bereit war, dass die Schwangerschaft zu Ende geht, für Andreas, der dann sicher im OP dabei sein konnte, für Luna, die vorab zu meinen Eltern gebracht werden konnte, für meine Schwester, die bei allem Half und für das Krankenhaus, das sich vorbereiten konnte.
Ein Frieden kehrte in mich ein und plötzlich wusste ich, dass es so sein würde. Wir würden morgens ins Krankenhaus fahren und nicht mitten in der Nacht. Wir würden den Raum beziehen und ich würde ganz in Ruhe für die OP vorbereitet werden und nicht zwischen zwei heftigen Wellen/ Wehen die Nadel in den Rücken gesteckt bekommen. Und so war es. Am Abend brachten wir Luna zu den Großeltern, aßen vegetarisches Suhsi im Bett und schliefen ein. Dann fuhren wir ins Krankenhaus.
Während ich auf die OP wartete, kamen sogar leichte Wellen/ Wehen und ich freute mich und hatte das Gefühl, dass Elio wusste, was passieren würde und wir ihn nicht gewaltsam in diese Welt reißen.
Und so war es auch. Die OP verlief unauffällig. Ich spürte, dass ein Druck von meinem Bauch genommen wurde und dann hörten wir ihn auch schon schreien. Er schrie drei Mal und dann lag er auf mir und war ganz ruhig. Und so ist er seitdem. Er scheint nicht traumatisiert zu sein von der Geburt, sondern ganz ausgeglichen und ruhig.
Und auch ich bin es. Bei Lunas Geburt im Krankenhaus war ich es nicht. Damals hatte ich mit einer Hausgeburt gerechnet und musste erstmal verarbeiten, dass es ein Kaiserschnitt wurde. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause (es waren auch Corona-Zeiten damals) und ich war überwältigt von den Schmerzen nach dem Kaiserschnitt. Gleichzeitig wollte ich so wenig Schmerzmittel wie möglich nehmen.
Bei Elio war das anders. Ich hatte schon vorher meinen Frieden mit dem Kaiserschnitt geschlossen und mir die Erlaubnis gegeben, so viele Schmerzmittel wie ich brauchte zu nehmen. Ich wollte auch gar nicht schnell nach Hause, sondern genoss die Hilfe, das Familienzimmer und die Tatsache, dass Luna versorgt war und ich mich nur um Elio und mich kümmern konnte.
Das ist meine und Elios Geburtstgeschichte. Und ja, vielleicht hätte ich etwas lieber von der spontanen Vaginalgeburt im Wasser erzählt und gedacht, dass das besser zu mir passt. Aber wie bereits erwähnt, sind mein Narrativ und mein Leben nicht mehr deckungsgleich und das ist ok. Ich habe Demut gelernt und dass die Dinge nicht nur in meiner Hand liegen. Stattdessen liegt jetzt ein Baby in meinem Arm und das ist das schönste Gefühl, das ich persönlich je kennengelernt habe.